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Warum Antifaschismus?

Aus dem ersten Impuls heraus scheint es mir absurd diese Frage mit einem kurzen Text beantworten zu wollen. Es gibt mehr Gründe für Antifaschismus als einem lieb sein kann und sehr unterschiedliche Ebenen, von denen aus sich dieser Frage genähert werden muss. Ich will hier weder alle aufzählen noch eine analytische Herleitung dessen machen, was der Begriff alles bedeuten kann. Nur so viel: Antifaschismus ist kein Label, das mensch sich einfach anheftet. Antifaschismus ist eine Haltung, ein Denken, eine Praxis – und erst dann ein Selbstverständnis.

Dystopianern ist für mich antifaschistisch, wenn es bedeutet den Abgründen dieser Gesellschaft, dieser Zeit und der vergangenen in vollem Bewusstsein entgegenzutreten, mit dem Ziel die Welt zu einer besseren für alle zu machen. Dystopianern ist für mich antifaschistisch, wenn es beinhaltet eine ungerechte Welt nicht fatalistisch hinzunehmen, sondern sie anzuerkennen und zu bekämpfen.

Die letzten knapp zwei Jahre unter Pandemiebedingungen haben eine seltsame Mischung aus sozialen Distanzen und gleichzeitig fast schon unangenehmer Intimität im Alltag hervorgebracht. Für mich mutet das wabernde Grundgefühl dieser Zeit dystopisch an. Und zwar genauso nach innen, in die intimsten Räume, bis ins Bauchgefühl, wie auch draußen, in den Räumen, die sich nichtmehr in ihrer Anonymität offen und wie Möglichkeitsräume anfühlen. Gerade jetzt, in einer Zeit, in der Bernd aus Thüringen qua Rechtsspruch Faschist genannt werden darf, in einer Zeit, in der die Systeme der Unterdrückung von Menschen klarer und deutlicher sichtbar werden und gemacht werden als je zuvor und in einer Zeit in der wieder mordende Nazibanden zusammen und mit Hilfe von „besorgten“ Deutschen die Straße als Protestraum übernehmen, brauchen wir einen Halt und eine Haltung. Die Dystopie dieser Zeit tritt nur deutlicher zutage, wenn ungefiltert zusammenkommt, was auch vorher schon zusammengehörte: So erschreckend und verletzend die staatlich auferlegte Disziplinierung des Lebens ist, so letztlich tödlich ist das Amalgam aus pseudo-liberaler Bürgerlichkeit mit ihrem privilegierten Freiheitsbegriff und der menschenfeindlichen Ideologie all jener, deren Denken und Handeln von dem Grundsatz einer unterschiedlichen Wertigkeit menschlichen Lebens getrieben ist. Wenn dystopianern heißt, die ungerechte Welt anzuerkennen und sich ihr entgegenzustellen, dann kann dystopianern im Kern antifaschistisch sein. Das heißt immer auch über den eigenen Tellerrand hinauszublicken – in die Gegenwart, in die Geschichte und in die Zukunft.

Ja, dieser Text ist bierernst und ich persönlich trinke zwar gerne Champagner, aber auch gerne Dosenbier, solange ich es mit Menschen trinke, die diese Haltung teilen und mir Halt geben. Denn bei aller Überlegung, was dystopianern mit Antifaschismus zu tun hat, und ich denke, es ist vieles, bleibt ja vor allen Dingen dieses: Antifaschismus ist eine Haltung, ein Denken, eine Praxis – und alternativlos.

Enea Cocco





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