Die frohe Botschaft gleich am Anfang: Glamour kann man nicht kaufen, nicht lernen, nicht üben. Auch mit noch so viel Macha con Martial Arts wird Helmut nicht zu Che Guevara. Und es sind nicht die OP’s die Jennifer zu Jane machen. Glamour entsteht im Auge des Betrachters. Aber nur dann, wenn Glamour immanent ist. Wenn die Chuzpa tief aus deinem Inneren durch die Poren nach außen quillt. Hier ist nicht die Rede von einer selbstoptimierenden Anpassung an eine glamuröse Norm, die von mir aus auch als emanzipatorische Praxis gelesen werden kann. Schön und gut. Partiell nützlich. Mitgedacht der Ringelreihen von Selbstermächtigung und Unterdrückung. Die Unterdrückung geht von einer normgebenden Schönheits-Industrie aus, die kapitalistisch und patriarchalisch ist. So Glamour praktizierend kann Mensch durch seine spektakuläre Attitüde aufsteigen. Um sich letztendlich einen Platz zu erarbeiten in einer reaktionären Beziehung und Gesellschaft. Paradox, aber gewöhnlich. Das Fatale: das Moment der Demokratisierung des Phänomens schließt die Abweichung von der Norm ein. Macht wird zu Ohn-macht. Es gibt kein Entkommen. Anti-Glamour, in zwingender Konsequenz als Glamour verwertet, folgt genau der gleichen Dynamik: Widerstand wird zur Norm. Der Grundimpuls richtet sich gegen sich selbst. Das System gewinnt. Ich mag das Wort Glamour trotzdem. Eben weil ihm dieser zweischneidige Mief anhängt. Weil es so gar nichts mit irgendeinem Achtskamkeits-Mimimi zu tun hat.
Für mich ist Glamour: in Äther getauchte Rosenblätter zum Frühstück, danach das Laster, das Grauen und die Ekstase tanzen, danach sterben, in memoriam Anita Berber. Er ist: Trips in Eigenregie an die Front, um für die Soldaten zu singen, die gegen Nazi-Deutschland kämpfen, auf Bombenhagel und Kriegsgericht scheißen, in memoriam Marlene Dietrich. Das Glamuröse, Wesen oder Ding, ist, im besten Sinne der Benjaminschen Aura, die „einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag.“*
Glamour ist: total da sein.
* Walter Benjamin: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“, deutsche Fassung 1939; in: Gesammelte Schriften, Band I, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972, S. 471–508
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